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Barend Jan Terwiel: Ein vielseitiger Thailand-Forscher
Barend Jan, genannt Baas, Terwiel, ein asketisch wirkender, drahtiger Herr mit verschmitzten Augen, dem man den „Professor emeritus“ nicht glauben mag, ist ein in Fachkreisen schon lange hochgeschätzter Wissenschaftler und Buchautor. Einer breiten Leserschaft wurde er allerdings erst seit den vergangenen etwa 15 Jahren wirklich bekannt.
Von Hans Michael Hensel
Bangkok. Man kennt ihn in Deutschland eigentlich erst, seit er 1992 bis zu seiner Emeritierung 2007 Leiter der Abteilung für Sprachen und Kulturen von Thailand und Laos am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg wurde. Ich stieß vor ungefähr 18 Jahren bei einer Recherche in der Bibliothek der Siam Society in Bangkok auf ihn, und zwar über ein Buch, von dem ich bis dahin nie gehört hatte: B.J. Terwiel: A History of Modern Thailand.
1983 war es in Australien als erster und einziger Band einer geplanten Reihe veröffentlicht worden – und war ebenso schnell wie der Verlag und die gesamte wissenschaftlichen Schriftenreihe wieder vergessen. In der Siam Society gab es das Buch vielleicht nur, weil es der Autor spendierte. Wer immer das tat, ich bin ihm dankbar.
Zu dieser Zeit hatte ich vieles von den damals bekannteren Autoren wie etwa David K.Wyatt oder Michael Smithies gelesen und glaubte, in Thailands Geschichte schon einigermaßen Bescheid zu wissen. Mit diesem Glauben räumte Terwiel schon auf, während ich den Text seines Buches nur überflog. Mit Mühe besorgte ich mir das seltene Werk antiquarisch.
Dann hatte ich Feuer gefangen und beschaffte mir nach und nach vieles, was von ihm auf dem Markt war oder in Bibliotheken zu erreichen, z. B. Through Travellers’ Eyes: An Approach to Early Nineteenth-century Thai History (1989) und Monks and Magic (1975), das ursprünglich seine Doktorarbeit gewesen war und vier mal neu aufgelegt wurde.
Weitere Veröffentlichungen umfassen A Window on Thai History (1989) und A Traveler in Siam in the Year 1655: Extracts from the Journal of Gijsbert Heeck (2008). Terwiel schrieb auch zahlreiche bemerkenswerte Aufsätze wie zum Beispiel einen auf Thai von 1985 mit dem Titel „Wer vernichtete [die alte Hauptstadt] Ayutthaya?“. Der Artikel, in der Zeitschrift Sinlapa Watthanatham (= "Kunst und Kultur") auf Thai erschienen, räumt mit der in Thailand seit fast 250 Jahren zur nationalistischen Propaganda mißbrauchten Behauptung auf, die Birmanen hätten Siams altes Zentrum 1767 derart dem Erdboden gleichgemacht, daß an einen Aufbau nicht mehr zu denken gewesen sei. Wahr ist vielmehr, wie Terwiel nachwies, daß erst die Plünderer und Geschäftemacher aus dem eigenen Land dafür sorgten, daß noch die letzte Kachel von den Pagoden abgeschlagen und verkauft wurde und bronzene Buddhafiguren eingeschmolzen, indem man die Türen und Fenster der Tempel und Paläste der prunkvollen Hauptstadt als Feuerholz dazu mißbrauchte.
Nachdem ich Terwiel gelesen hatte, schrieb ich anders über Thailand als vorher. Warum? Wer ihn liest - oder noch besser, seine Vorlesungen und Vorträge anhört -, versteht, daß vieles, das über Thailand geschrieben steht und als allgemeingültig angesehen wird, anders aussieht, wenn man sich näher damit beschäftigt.
Beispiel: Aufnahme eines deutschsprachigen Vortrags von B. J. Terwiel zum herunterladen: https://www.asaf.hu-berlin.de/southeastasia/history und ein bevorstehender Vortrag am Freitag, 22. Juni 2012 ab 14 Uhr in Berlin zum selbst erleben: http://iaaw.hu-berlin.de/lecture-series
"Towards Solving the Mystery of the Hidden Jatakas of Wat Si Chum"
Geschichte des modernen Thailands
Ein gutes Beispiel für Terwiels oft unorthodoxen Blick auf das Wesentliche ist seine History of Modern Thailand, die 2011 in Bangkok bei „River Books“ in dritter Auflage unter neuem Titel erschienen ist.
Dieses Buch liest sich lebendiger als diejenigen anderer Thailand-Autoren zum gleichen Thema und bietet vor allem ein Abbild der Geschichte, das sich auf Primärquellen stützt. Das ist nicht selbstverständlich. Es ist nämlich gar nicht lange her, daß als wichtig angesehene Fachbücher über Thailand von Leuten geschrieben wurden, die kein einziges auf Thai geschriebenes Wort entziffern konnten.
Das Buch enthält die neuesten Entwicklungen der thailändischen Politik, ist fesselnd, und über weite Strecken im besten Sinne fast „journalistisch“, geschrieben. Außerdem wurde es gegenüber der ersten Ausgabe durch Abbildungen aufgewertet. Terwiel bietet mehr als genug Fakten und Quellen zum Weiterlesen, durch die sich jeder selbst sein Thailand-Bild vervollkommnen kann.
So gibt es eine Fülle zum Teil eingehender Anmerkungen, die allerdings – ein vom Verlag verursachter schwerer typographischer Mangel, was die Leserlichkeit und Lesbarkeit angeht – wie „Marginalien“, also nicht als echte Fußnoten, angeordnet wurden. Einige stehen leider nicht einmal auf der Seite, auf der sie im Text angekündigt sind. Den Wert des Buches für den an Thailand interessierten Leser kann dieser Mangel allerdings nicht nachhaltig schmälern, denn an Terwiel kommt niemand vorbei, der etwas von Substanz über dieses Land erfahren will.
Forschung zu Terwiels Ehren
Wer noch mehr erfahren will, dem sei das wissenschaftliche Sammelwerk Essays in Honour of Barend Jan Terwiel empfohlen. Darin knüpfen Schüler und Kollegen an Terwiels Forschungen an, die keineswegs nur auf Thailand beschränkt sind. Unter anderem befaßt sich Terwiel seit Jahren intensiv mit den aussterbenden Thai-Sprachen in Assam. Obwohl alle Aufsätze dieser Sammlung Interessantes und Neues bieten, empfehle ich zum Einlesen besonders Thongchai Winichakuns Aufsatz zur „Geburt von Thailands Geschichte“, Volker Grabowskys Anmerkungen über den unterschiedlichen Blick auf die gemeinsame Geschichte in Laos und Thailand sowie Boike Rehbeins Artikel, in dem er sich aus heutiger Sicht mit Terwiels wohl bekanntestem, fast vier Jahrzehnte altem, aber keineswegs veraltetem Werk Monks and Magic beschäftigt.
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