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Fast 100 Tote beim Vorgehen der Armee gegen die UDD und keine Konsequenzen?

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen wurde ein Korruptionsverfahren gegen die sogenannte "Demokratische Partei" vom Verfassungsgericht eingestellt. Eine illegale Millionenspende hatte wieder einmal keine Konsequenzen für die Partei der thailändischen Monarchisten.

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Von Hans Michael Hensel

Bangkok. Premierminister Aphisit Wetchachiwa kann also aufgrund von glücklich gefundenen „Verfahrensfehlern“ wieder einmal munter weiterwursteln. Für ihn hatten umgerechnet rund 5 Millionen illegale Euro keine Konsequenzen.

Man erinnert sich: Der jahrzehntelang einflußreiche Spitzenpolitiker, mehrfacher Minister, Bangkok-Gouverneur und Premierminister Samak Sunthonwet, ein unter anderem feinstes Rachasap sprechendes Mitglied des Establishments, predigte jahrzehntelang die Korruption geradezu: Sie habe in Thailand noch nie jemanden getötet, sagte er einmal allen Ernstes vor der Presse.

Trotzdem — oder gerade deshalb? —, brachte es der Mann bis zum engen Vertrauten und Günstling des Königshauses, und war sogar lange als Chef des "Crown Property Bureaus" im Gespräch, das den 1932 — "eigentlich" — verstaatlichten riesigen Land- und Immobilienbesitz der Herrscherfamilie verwaltet sowie die von ihr gegründeten Privatfirmen wie etwa Siam Cement und die Siam Commercial Bank.

Er stolperte aber sofort, als er als Premierminister und Gallionsfigur der "falschen" Partei, Phak Phuea Thai, die dem 2006 von der Armee mit ausdrücklicher Billigung "allerhöchster Kreise" weggeputschten Premierminister Thaksin Chinnawat nahestand, eine geradezu lächerliche Aufwandsentschädigung für seine schon vor Amtsantritt gelaufenen Kochsendungen im Fernsehen erhielt.

Die Demonstrationen am Bangkoker Demokratiedenkmal am Freitag richteten sich aber vor allem gegen die übelste aller "Traditionen" der erwiesenermaßen korruptesten Organisation dieses ansonsten wunderbaren Landes: Thailands selbstherrliche Armee erschoß 2010 (wieder mal) nachweislich gezielt Zivilisten und das nicht zu knapp: Fast 100 Menschen, darunter Krankenschwestern, Schüler und Journalisten, verloren bei den Demonstrationen in diesem Jahr insgesamt ihr Leben, fast 2000 wurden zum Teil schwer verletzt.

Aber auch die gezielte Tötung von direkt Beteiligten, wie etwa den charismatischen Anführer der "Rothemden", Khattiya Sawatdiphon, genannt Se Daeng, gehört nicht zu den Ruhmestaten in der blutigen Geschichte dieser soldatischen selbsternannten Beschützer der Monarchie.

Der Untersuchungsbericht bringt nun die thailändische Regierung "unter Druck", liest man in allen Zeitungen... Aber "Druck" mit welcher Konsequenz eigentlich?

Die Entscheidung des Gerichts im oben genannten Korruptionsverfahren ist nur eine weitere Bestätigung von zweierlei rechtlichem Maß in der hiesigen Formaldemokratie: Die seit Jahrhunderten an den Töpfen der Macht sitzende Elite einschließlich der "von höchster Stelle" vorgeschlagenen Mitglieder des Verfassungsgerichts duldet und begünstigt mehrheitlich Korruption, Selbstbereicherung und Machtmißbrauch in den eigenen Reihen. Dagegen geht man gegen politische Gegner grundsätzlich mit äußerster Härte vor. Dieses Vorgehen wird mit einer Schamlosigkeit betrieben, die ihresgleichen sucht. Sie hat das Land zutiefst gespalten.

Ganz hat man die Leute allerdings trotz des großen gesellschaftlichen Drucks innerhalb der regierenden Elite und der Beamtenschaft jedoch offenbar doch nicht im Griff: Ermittlungen der Sonderbehörde DSI, deren Ergebnisse bereits in der Presse veröffentlicht wurden, besagen, daß die Armee bei der blutigen Niederschlagung der Proteste im Mai gezielt Zivilisten und auch vollkommen Unbeteiligte getötet hat. Und das in einem erheblich größerem Ausmaß, als es die Regierung zugibt.

So haben Soldaten von den Betonbrücken der Bangkoker Hochbahn aus bei der brutalen Niederschlagung der Demonstrationen im Zentrum Bangkoks gezielt auf das Gelände Wat Pathumwan geschossen. Alle dabei getöteten Zivilisten, darunter zwei Krankenschwestern, starben durch Hochgeschwindigkeitsgeschosse der Armee, wobei für den Vorgang insgesamt offenbar auch ausreichend Zeugenaussagen vorliegen.

Trotz des, wie man liest, "internationalen Drucks" hält die Aphisit-Regierung die Ergebnisse der Untersuchung zurück. Man klammert sich weiter an die längst nur noch bösartig zu nennende Behauptung, daß die Demonstranten selbst für die rund 100 Toten und fast 2000 Verletzten verantwortlich seien.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt, wird in dem Bericht auch auf den Tod von Hiro Muramoto eingegangen. Der aus Japan stammende Kameramann war am 10. April mitten im Zentrum von Bangkok erschossen worden. Die Ermittlungen der Sonderbehörde hätten nun egeben, daß Muramoto von einem Soldaten getötet wurde, man darf sogar vermuten, gezielt.

Man kann nur hoffen, daß sich der "internationale Druck" in Richtung der Aufklärung dieser Vorgänge, von dem im Lande leider erstaunlich wenig zu spüren ist, noch verstärkt.

Als Beobachter vor Ort hat man nämlich eher den Eindruck, als würden die reaktionären Monarchisten, denen Aphisit vorsteht, international eher gehätschelt und vor Ort als kurzweilige Partner beim Golfspielen geschätzt. Und davon, daß es in diesem Lande vor allem wichtig ist, sich nach außen einen "schönen" Namen zuzulegen, auch wenn der das genaue Gegenteil von dem aussagt, was das Wort eigentlich bedeutet, hat der durchschnittliche Europäer oder Amerikaner ohnehin noch nie etwas gehört.

Statt dessen wird die "älteste und als einzige niemals verbotene Partei Thailands" von selbsternannten Thailandkennern oft auch noch gerade wegen ihres vermeintlich "demokratischen" Namens hofiert. Daß es sich dabei schon 1946, als die "Demokratische" Partei Thailands entstand, um einen Etikettenschwindel der Mitglieder der alten Elite und Gründer dieser Partei handelte, denen es außerdem auch noch weniger um die Rettung der Monarchie an sich als ihrer eigenen Pfründe und Privilegien ging, ist heute weitgehend unbekannt.

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